Helene, Mutter von drei Kindern, steht beim Abendessen auf, geht zum Balkon und stürzt sich ohne ein Wort in den Tod. Die Familie ist im Schockzustand. Plötzlich fehlt ihnen alles, was sie bisher zusammengehalten hat: Liebe, Fürsorge, Sicherheit.
Helenes beste Freundin Sarah, die ¬Helene ¬ihrer Familie wegen zugleich beneidet und bemitleidet hat, wird in den Strudel der ¬Trauer und des Chaos gezogen. Lola, die ¬älteste Tochter von Helene, sucht nach einer ¬Möglichkeit, mit ihren Emotionen fertigzuwerden, und konzentriert sich auf das Gefühl, das am stärksten ist: Wut.
Drei Frauen: Die eine entzieht sich dem, was das Leben einer Mutter zumutet. Die anderen beiden, die Tochter und die beste Freundin, müssen Wege finden, diese Lücke zu schließen. Ihre Schicksale verweben sich in diesem bewegenden und kämpferischen Roman darüber, was es heißt, in unserer Gesellschaft Frau zu sein.
– Rowohlt Verlag
GEDANKEN ZU „DIE WUT, DIE BLEIBT“
Mittlerweile ist es gute 5 Monate her, seit ich DIE WUT, DIE BLEIBT von Mareike Fallwickl gelesen habe. Ein Buch, das wichtig ist, das wütend, radikal und schonungslos ist. Das aufrüttelt, wehtut und man sicherlich nicht so schnell vergisst.
DIE WUT, DIE BLEIBT spielt während der Corona-Pandemie. Es geht um die Erwartungen an die Frauen, die während der ganzen Lockdowns die Haus- und Care-Arbeit leisten müssen, die mit den Kindern im Homeschooling verzweifeln, die ihre Jobs verlieren oder all das auch noch wie nebenbei machen müssen. Schließlich sei das ja die Aufgabe der Frauen. Man spürt die Wut in jeder Seite. Man spürt die Wut in Lola und Sarah, die nach Helenes Selbstmord mit den Überresten übrig bleiben. Die Wut, als Frau nichts sagen zu können, weil man sonst zickig oder emotional ist.
Der Scheiß an der Sache mit der Belastbarkeit ist, dass Mütter an ihre Grenzen gehen und weit darüber hinaus, ergänzt Helene, sie können nicht mehr, aber sie schaffen es dennoch. – S. 171
Gleich der Prolog beginnt mit dem im Klappentext angekündigten Selbstmord von Helene – sie steht einfach beim Abendessen auf und springt vom Balkon. Und plötzlich wird man als Leser:in mit Sarah, Helenes bester Freundin, und Lola, Helenes Tochter, allein gelassen. Besonders Sarah ist schockiert über Helenes Entscheidung, schließlich hat sich ja nie etwas gesagt, höchstens mal einen Witz über diese ganze Situation gerissen, um ihrer Erschöpfung Ausdruck zu verleihen.
Geschrieben wird das Buch aus den Sichten von Sarah und Lola. Allerdings hatte ich ein paar Schwierigkeiten mit den zwei Protagonistinnen – Sarah, kinderlos, die einfach in die Rolle von Helene schlüpft, sich um Helenes Kinder kümmert, während Helenes Mann weiter arbeiten geht, als wäre nichts passiert. Jetzt spürt Sarah ebenfalls die Erschöpfung und die Wut. Plötzlich kann sie Helene verstehen und die Situation nachvollziehen. Trotzdem sagt sie nichts, denn sie ist der Meinung, eine Frau müsse funktionieren. Lola entwickelt sich dagegen zunächst in eine andere Richtung. In ihr ist so viel Wut über die Entscheidung ihrer Mutter, das System und überhaupt allem. Nach einer schwierigen Situation mit ihrer Freundin, ändert sich Lolas Charakter von Grund auf. Generell bin ich mit Lolas Verhalten nicht immer klargekommen, oft war sie mir zu impulsiv und radikal. Besonders die Gewalt, die im Handlungsverlauf aufkommt, war mit zu viel. Ich verstehe den Sinn dahinter und mir ist klar, dass es aufrütteln soll, zeigen soll, dass man manchmal laut werden muss, um Grenzen zu sprengen. Trotzdem war mir diese Gewalt einfach zu viel des Guten.
Um ehrlich zu sein: Ich habe keine Kinder. Ich weiß nicht, wie es ist mit Kindern im Homeschooling zu sitzen und die ganze Care-Arbeit allein zu leisten. Aber auch ich habe es in den vergangenen 2,5 Jahren an den Arbeitskolleginnen, Bekannten und Freundinnen gesehen. Wie viel Ungleichheit da auch im Jahr 2022 noch ist. Und ich kann diese Wut trotz allem verstehen. Das macht dieses Buch so unfassbar wichtig und gut.
KURZ & KNAPP
Insgesamt ist DIE WUT, DIE BLEIBT ein sehr wichtiges Buch, das schonungslos ehrlich ist und aufrüttelt. Mareike Fallwickl verleiht der Story mit vielfältigen Emotionen den perfekten Ausdruck, gibt der Trauer um Helene, aber auch vor allem der Wut viel Raum. Das Buch tut weh und wird man so schnell nicht vergessen – und das ist gut so.
Insgesamt
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Story - 9/10
9/10
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Charaktere - 8/10
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Schreibstil - 10/10
10/10
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Spannung - 10/10
10/10
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Unterhaltungsfaktor - 8.5/10
8.5/10
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Emotionen - 7/10
7/10
Rowohlt Verlag – ET: März 2022 – 384 Seiten – Einzelband – Hardcover – 22,00 EUR
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